DIE ZEITRECHNUNG DER MAYA

Einen großen Teil ihres Lebens widmeten die Maya der Erforschung der Zeit. In ihrer Glaubensvorstellung wurde das aktuelle Geschehen von unwandelbaren kosmischen und vorgeschichtlichen Einflüssen bestimmt, deren richtige Interpretation dazu verhalf, zu einem bestimmten Zeitpunkt das richtige zu tun. Indem durch bestimmte rituelle Praktiken und Zeremonien der Kontakt zu den Göttern, Geistwesen und Ahnen gesucht wurde, erlangten die Maya Hinweise, welche Interpretation die richtige sein könnte. Diese Aufeinanderabstimmung von eigener und sakraler Lebenswelt gelang den Maya durch ein ausgefeiltes Berechnungssystem, das die Zeit in Ritualzeit (sakral) und Sonnenzeit (Lebenswelt) aufteilte. Diese beiden Zeiteinteilungen (oder Kalender) wurden so miteinander verzahnt, daß jeweils ein bestimmtes kosmisches bzw. vorgeschichtliches Ereignis der Ritualzeit, zu einem jeweiligen Zeitabschnitt in der Lebenswelt zugeordnet wurde. Beide Zeitsphären wurden in immer wiederkehrende Zyklen dargestellt, wobei die Ritualzeit in ein tzolk'in genanntes Ritualjahr von 260 Tagen und die Sonnenzeit in ein 365 Tage umfassendes Sonnenjahr, haab genannt, gegliedert wurden. Das tzolk'in unterteilte sich in 13 Monate zu je 20 Tagen, wobei die Tage mit Koeffizienten von 1 bis 13 versehen wurden. Der 14. Tag begann wieder mit dem Koeffizienten 1 und der einundzwanzigste Tag wieder mit dem Namen des ersten Tages.

Beispiel:

1. Tag 1 a (Imix) 8 a (Imix) 2 a (Imix)

2. Tag 2 b (Ik) 9 b (Ik) 3 b (Ik)

3 c (Ak'bal ) 10 c (Ak'bal) 4 c (Ak'bal)

4 d 11 d 5 d

5 e 12 e 6 e

6 f 13 f 7 f

7 g 1 g 8 g

8 h 2 h 9 h

9 i 3 i 10 i

10 j 4 j 11 j

11 k 5 k 12 k

12 l 6 l 13 l

13. Tag 13 m (Ben) 7 m (Ben) 1 m (Ben)

14. Tag 1 n (Ix) 8 n (Ix) 2 n (Ix)

2 o 9 o usw.

3 p 10 p

4 q 11 q

5 r 12 r

6 s 13 s

20. Tag 7 t (Ahaw) 1 t (Ahaw)

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Tageszeichen

Monatszeichen

Erst nach 13 x 20 = 260 Tagen fiel der Koeffizient 1 mit dem Tagesnamen Imix (a) wieder zusammen. Die Tage des Sonnenjahres haab wurden anders gezählt. 18 Monate zu je 20 Tage und ein Kurzmonat von 5 Tagen summierten sich zu 365 Tagen. Die Zählung der Monatstage begann bei 0 a (pop) und hörte mit dem Koeffizienten 19 t auf. Für jeden Tag des Sonnenjahres haab und für jeden Tag des Ritualjahres tzolk'in waren jeweils unterschiedliche Götter, Geister oder Ahnen zuständig. Die Verzahnung der beiden unterschiedlichen Zeitrechnungen führte dazu, daß sich zwischen tzolk'in und haab nur alle 18 980 Tage (52 Jahre nach Sonnen- und 73 Jahre nach Ritualkalender) eine gleiche Kombination von tzolk'in-Tag und haab-Tag ergab (= eine Kalenderrunde). Um ein bestimmtes historisches Ereignis, das länger als 52 Sonnenjahre zurücklag genau zu verorten, reichte dieses Berechnungssystem jedoch nicht aus. Die Maya bestimmten deshalb einen weit zurückliegenden Fixpunkt, von dem an die Zählung der einzelnen Kalenderrunden begann. Wie sie diesen Fixpunkt gewannen ist bislang noch unbekannt. Wahrscheinlich bezogen sie sich auf ein hypothetisches Ereignis (Die Weltschöpfung), das während einer besonderen astronomische Konstellation geschah. Die Schöpfung ihrer Welt (Nulldatum) legten sie auf den Tag 4 Ahaw (Ritualkalender) 8 Kumk'u (Sonnenkalender) fest, was etwa dem 20. Sept. 3113 v.Chr. im Julianischen Kalender entspricht. An diesem Tag, dem Schöpfungstag der Maya-Welt, existierte eine auffällige Konstellation zwischen Mars und Saturn, die wiederum in einer besonderen Konstellation zum Aldebaran (Stern erster Ordnung im Sternbild des Stieres) standen. Außerdem gab es in dieser Zeitphase eine Mondfinsternis, die für die Maya von besonderer Bedeutung war. Für ihre Zählung von diesem Zeitpunkt ab, bedienten sich die Maya verschiedener Zeiteinheiten:

Der kleinste Zeitabschnitt war der Tag (k'in). Zwanzig Tage bildeten einen Monat (winal) und 18 Monate ein Jahr (tun) zu 360 Tagen. 20 Jahre bildeten ein k'atun und zwanzig k'atun, also 400 Jahre, ein bak'tun. Den Beginn ihrer Welt datierten die Maya auf das Ende des 13. bak'tun (13.0.0.0.0 geschrieben) Zyklus. Mit diesen Zeiteinteilungen konnten die Maya zwar ihre Zeitepoche erfassen, nicht aber den Zeitpunkt an dem alle Zyklen und alle Himmelskörper ihren Anfang nahmen. Sie griffen deshalb für ihre Berechnungen des Ursprungs auf noch größere Perioden von 8000, 160 000, 3 200 000 und mehr tun zurück. Mit Hilfe dieser von den Priestern errechneten Zeiteinteilung konnten die Maya-Könige und der Adel, ihre biographischen Daten und ihre Heldentaten auf den zu ihren Ehren errichteten Stelen für immer festhalten. Dabei ließen sie die datenmäßige Fixierung der Ereignisse immer von dem Fixpunkt 13.0.0.0.0 4 Ahaw 8 kumk'u an beginnen und zu dem Zeitpunkt enden, wann die Stele errichtet wurde. Der Maya-Kalender diente dem Adel zugleich als chronologischer Rahmen für die jeweiligen Herrscherbiographien und als Rahmen, in dem er seine Position innerhalb der Zeitzyklen und der sakralen Ordnung definierte.